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Auf die Plätze ...

Juri Gagarin

Die von Claudia Kessler ins Leben gerufene Privatinitiative will schaffen, was längst überfällig erscheint: Die erste deutsche Astronautin ins Weltall schicken.

Als 1961 mit Juri Gagarin der erste Mensch in den Weltraum flog, war die Aufregung in der internationalen Raumfahrt groß. Bis heute hält der Legendenstatus des Russen an – in seine Fußstapfen zu treten war damals ein Riesenschritt. Doch nur zwei Jahre später war es so weit: Die sowjetische Kosmonautin Walentina Tereschkowa startete an Bord des Wostok-6-Raumschiffs ins All und war damit die erste Frau, die die unendlichen Weiten besichtigte. Vom Weltraumbahnhof in Baikonur, Kasachstan, aus umrundete sie die Erde ganze 48 Mal. Dabei war ihr Karriereweg alles andere als geebnet: Ursprünglich arbeitete Tereschkowa in einem Reifenwerk, später als Näherin in einer Textilfabrik. Doch sie fühlte sich schon früh zu Höherem berufen. Neben diesen Tätigkeiten machte Tereschkowa eine Tech­nikerausbildung, lernte das Fallschirmspringen und bewarb  sich als Kosmonautin. Mit Erfolg.

Bis heute sind rund 60 Frauen Te­reschkowas Beispiel, ins Weltall zu fliegen, gefolgt – bei insgesamt etwa 900 Weltraumreisenden. Darunter waren mehr als 40 Amerikanerinnen, eine Französin, zwei Chinesinnen – aber noch keine deutsche Astronautin. Das soll sich nun ändern: Vergangenes Jahr rief die private Initiative „Die Astronautin“ einen Wettbewerb aus, in dessen Rahmen sich Frauen bewerben konnten, um zur Raumfahrerin ausgebildet zu werden. Besser gesagt: zu „Weltraum­touristinnen“, denn um professionelle Astronautinnen handelt es sich hierbei – noch – nicht. Als Preis winkt sozusagen ein Flug zur Internationalen Raumstation (ISS), zehn Tage soll die Gewinnerin dort verbringen. Über 400 Teilnehmerinnen stellten sich einem breit angelegten Bewerbungs- und Testverfahren, das unter anderem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt geleitet wurde – zwei sind letztlich übrig geblieben.

Claudia Kessler (52)
Kessler studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der TU München, danach war sie für kleine Experimente im Rahmen der russischen Mir-Mission zuständig. Für das ehemalige Hightech-Unternehmen Kayser-Threde baute sie in Leipzig eine Raumfahrtabteilung auf. 2004 gründete sie HE Space in Bremen, 2009 gemeinsam mit Esa-Direktorin Simonetta Di Pippo Woman in Aerospace in Europe (WAE).

Hinter dem Projekt steckt Claudia Kessler, ­Raumfahrtingenieurin und Geschäftsführerin von HE Space Operations in Bremen – einer Zeitarbeitsfirma für die internationale Raumfahrtindustrie. Ursprünglich gegründet wurde HE Space von den NASA-Veteranen Scott Millican und Mike Hernandez 1982 in den USA. Von Bremen aus werden etwa Konstrukteure für Satelliten oder Ausbilder für Raketenstarts vermittelt, so auch schon für die Europäische Weltraumorganisation (Esa) und Space-Schwergewichte wie Airbus Defence & Space (Sparte der Airbus-Gruppe; Anm.). „Wir brauchen Role Models für junge Frauen, um sie für technische Berufe und naturwissenschaftliche Studien zu begeistern“, erklärt Kessler die Hintergründe.

Der 52-jährigen Mutter einer Tochter geht es vor allem um die Sichtbarmachung von Frauen in der (internationalen) Raumfahrt. Diesen Weg verfolgt Kessler konsequent, und das seit mehr als 25 Jahren.
2004 eröffnete sie HE Space in Bremen, 2008 wurde sie zur CEO bestellt, mittlerweile sind 55 Prozent der rund 180 Mitarbeiter weiblich. Dazu kann sich Kessler Vorstandvorsitzende von Women in Aerospace in Europe (WIA-E) nennen, einem Verein, der Frauen in der Raumfahrt vernetzen und fördern will. Der Frauenanteil unter den ­dortigen Ingenieuren beträgt rund 40 Prozent. „Wir haben ein Vakuum gefüllt“, so Kessler.

Wir brauchen Role Models für junge Frauen, um sie für technische Berufe zu begeistern.

Man kann getrost sagen: Die Raumfahrtmanagerin kennt die Branche in- und auswendig. Internationale Erfahrung inklusive: Aufenthalte in Amerika und Japan, kleine Experimente im Rahmen der Mission zur russischen Raumstation Mir ­(sowjetische bemannte Raumstation; Anm.). Dennoch: Kessler ist nur eine der wenigen weiblichen Leader im Space-Business.

Ihre Sehnsucht nach neuen Planeten und fremdem Leben reicht weit zurück: „Mit vier Jahren habe ich die Mondlandung gesehen, da habe ich mir gedacht: Dort will ich auch hin. Ich bin froh, ohne Bruder aufgewachsen zu sein, denn so habe ich in der Garage mit meinem Vater an Autos geschraubt. Das war ein Vorteil“, erzählt Kessler. Der Weltall-Wunsch blieb ihr aber bis heute verwehrt. Während die Space-Expertin in den 1980er-Jahren Luft- und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München studierte, bewarb sie sich beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), um ins All zu fliegen. Die Absage kam prompt: Nur mit abgeschlossenem Studium. Doch es würde nicht dem Charakter der en­thusiastischen Frau entsprechen, ließe sie sich von derartigen Rückschlägen abbringen: „Ich habe diesen Herzenswunsch noch nicht ganz aufgegeben. So alt bin ich auch noch nicht“, schmunzelt Kessler.

Schon konkreter sind da die (Ausbildungs-)Pläne für die letzten beiden Space-Kandidatinnen, der Eurofighter-Pilotin Nicola Baumann (31) und der Meteorologin Insa Thiele-Eich (33). Sie werden die kommenden Jahre Flug- und Tauchtests absolvieren, Überlebenstrainings durchlaufen, Parabelflüge simulieren – um auf die Schwerelosigkeit vorbereitet zu sein. Ein großes Fragezeichen steht jedoch noch hinter der Finanzierung des Projekts: Rund 50 Millionen € sind für die Ausbildung, den Flug und den ISS-Aufenthalt veranschlagt. Eine Crowdfunding-Aktion mit eingenommenen 63.000 € lief bis diesen April. „Wir sind derzeit in konkreten Gesprächen mit Sponsoren“, sagt Kessler. Mehr will sie dazu nicht verraten.

Welches Raumfahrtunternehmen die zukünftige Pionierin schlussendlich ins Weltall bringen wird, ist ebenso noch ungeklärt. Zuversichtlich ist Kessler dennoch: „Mein langfristiges Ziel ist, dass es überflüssig wird, speziell über Frauen im Weltall zu sprechen; dass es einfach normal wird.“ Übrigens: Die damals 26-jährige Kosmonautin Tereschkowa ging ebenfalls aus einem Bewerbungsverfahren hervor.

Dieser Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2017 „Women“ erschienen.

Niklas Hintermayer,
Redakteur

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